Würde und Gesundheit – Vortrag und Austausch mit Dr. Udo Baer

Am 24.02.2020 fand die Auftaktveranstaltung zu unserer Vortragsreihe zu dem großen Thema Würde und Gesundheit statt. Wir konnten Dr. Udo Baer gewinnen, uns zwei Stunden seiner Zeit zu schenken. Er hat kein Honorar für den Vortrag genommen. Die Spenden, die wir im Anschluss an die Versammlung von den Teilnehmern gesammelt haben, stellt er dem Würdekompass zur Verfügung.

Was passiert mit Menschen und deren Gesundheit, wenn ihre Würde immer und immer wieder verletzt wird, womöglich schon in jungen Jahren, als Baby oder Kind? Wie kann die Würde eines Menschen überhaupt verletzt werden? In einem sehr persönlichen Vortrag und anschließender Diskussionsrunde gab Udo Baer darauf Antworten.

Jeder Mensch hat ein Würde-Ich. Wird sein Würde-Ich zu oft verletzt, versteckt es sich zu seinem Schutz. Dieser Mensch hat dann häufig kein Gefühl mehr für seine Würde. Er fühlt sich nutz- und wertlos, kennt seine Bedürfnisse nicht oder verdrängt sie.

Vier Monster der Würde beschreibt er:

  • Das Monster der stillen und lauten Gewalt, auch sexualisierte Gewalt
  • Das Monster der Beschämung
    Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Scham und Beschämung. Scham ist die Wächterin unserer Intimität, unseres ganz Persönlichen. Im Gegensatz zur Scham kommt die Beschämung von außen und hat viele Erscheinungsformen. Sie zielt darauf ab, einen Menschen kleinzumachen und zu entwürdigen. Sie ist oft mit dem Wort „zu“ verbunden: zu groß, zu klein, zu dumm, …
  • Das Monster der Erniedrigung
    Zur Erniedrigung eines Menschen nutzt das Monster der Erniedrigung oft Worte, wie: „immer“, „nie“ oder „schon wieder“ und führt durch die ständige Abwertung dazu, dass Menschen sich klein und unfähig fühlen.
  • Das Monster der Ignoranz oder Leere
    Besonders für Kinder können wiederholte Leere-Erfahrungen gravierende Folgen haben. Leere-Erfahrungen sind z.B.:
    • Ein Kind streckt die Arme aus und niemand ergreift sie.
    • Ein Kind schreit oder weint und wird nicht gehört.
    • Ein Kind möchte sich anlehnen und fällt ins Nichts.

Fast noch belastender als das traumatisierende Erlebnis selbst ist für viele Menschen die Einsamkeit danach. Wenn niemand ihnen glaubt, wenn bagatellisiert wird, wenn weggesehen wird. In ihrem Buch „Am schlimmsten ist die Einsamkeit danach“ weist Gabriele Frick-Baer einen Zusammenhang zwischen erlittenem Trauma und psychischen Erkrankungen nach (Verlag Semnos, 2013).

Es ist wichtig, die Monster zu kennen, denn dann weiß man, wo sie herkommen und man kann beginnen ihnen bzw. ihren Folgen zu begegnen: Würdigen, was ist. Einen Moment innehalten, sich fragen: was spüre ich gerade – was macht das Verhalten von anderen gerade mit mir? Ist das ok oder geht es mir damit schlecht? Ansprechen, was man wahrnimmt, zum Ausdruck bringen, was man möchte und was man nicht mehr möchte. Und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Das hört sich einfach an und kann auch schwierig sein. Niemand sollte sich scheuen, sich Unterstützung zu holen. Das kann ein guter Freund, eine gute Freundin sein, der Partner, die Partnerin, jemand, der empathisch zuhören kann. Manchmal reicht das nicht aus und dann ist es gut und wichtig, sich professionelle Unterstützung zu holen.

Etwas, das vielleicht als das fünfte Würdemonster angesehen werden kann, ist das ungelebte Leben. Mit jeder Entscheidung, die wir treffen, verwerfen wir andere, die dann ungelebt bleiben. Für viele Entscheidungen ist das sicher in Ordnung. Mit manchen hadern wir. Auch hier lohnt es sich genau hinzusehen, zu würdigen und ggf. getroffene Entscheidungen zu überdenken und anzupassen.

Wer sich mehr mit dem Thema beschäftigen möchte: Im Buch von Udo Baer und seiner Frau Gabriele Frick-Baer – Deine Würde entscheidet, BELTZ 2019 – sind die Würdemonster, die Möglichkeiten, ihnen zu begegnen und vieles mehr beschrieben.

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